Donnerstag, 27. August 2009

Besuch bei der Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen (BStU)


Antrag eines Betroffenen auf Einsichtnahme heißt es im Kopf des Formulars, das sich jeder auf der Website der „Bundesbauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik“ aus dem Internet herunterladen kann. Das hatte ich bereits im Juni getan, und ich hatte es gleich ausgedruckt und ausgefüllt - um es dann aus Zeitmangel liegen zu lassen. Heute nun als erste Amtshandlung nach den Ferien ein Besuch bei der bei der Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen, kurz BStU. So kürzt sich die Stasi-Unterlagen-Behörde selbst offiziell ab, die Aufnahme rechts zeigt ihren Amtssitz in der Karl-Liebknecht-Straße 31 in Berlin-Mitte (Copyright by BStU).

Warum jetzt? Der ausgefüllte Antrag lag zwei Monate rum, aber im Grunde genommen habe ich mir fast zwanzig Jahre Zeit gelassen, ihn zu stellen. Dabei befindet sich die Birthler-Behörde heute schräg gegenüber meiner alten Wirkungsstätte Guter Rat, der in den 1990er Jahren im früheren ADN-Gebäude Liebknecht/Ecke Mollstraße untergebracht war. Seinerzeit war der Andrang nach Akteneinsicht aber riesengroß, da schien es mir angemessen, den ernstlich Betroffenen den Vortritt vor einem wie mir zu lassen, der nur neugierig ist. Und dann ließ die Neugier nach.

Die Enthüllung, dass der West-Berliner Polizist, der Benno Ohnesorg erschoss, ein Ost-Berliner Agent der Staatssicherheit war, war der Weckruf (siehe meinen Eintrag vom 2. Juni 2009 weiter unten). Jetzt wollte ich es wissen: Wer hat uns denn seinerzeit versucht auszuspionieren und zu manipulieren? An der Oberschule, an der Universität, in den politischen Gruppen und später bei Zitty? Da gab es ganz bestimmt und stets geheime Informanten der Staatssicherheit; die Einflussagenten der SEW traten ja öffentlich auf, die kannten wir, sie konnten wir attakieren und isolieren, wo wir, die Anti-DDR-Linke, die Mehrheit hatten.

Antirevisionistische Linke hieß das im damaligen Sprachjargon. Aus heutiger Sicht war es eine überwiegend totalitäre Konkurrenz; denn auch die Spontigruppen, die neben den offen stalinistischen K-Gruppen die Hauptmacht der "revolutionären Linken" stellten, waren antiamerikanisch, antiparlamentarisch, antikapitalistisch, kurz antidemokratisch im Sinne des Grundgesetzes. Der SED-Führung war diese Konkurrenz ein Dorn im Auge, deshalb behielt sie sie im Auge. Es würde mich wundern, wenn ihre Agenten auf mich kein Auge geworfen hätten. Andererseits: No evidence of existence is not an evidence of non-existence - kein Beweis für die Existenz [einer Akte] ist kein Beweis der Nichtexistenz [seinerzeitigen Ausspionierens]. Schaun wir mal.

Eines steht heute schon fest: Die Linke konnte die Landplage, die sie heute ist, erst werden, nachdem sich ihre totalitäre Konkurrenz in Luft aufgelöst hatte. Das war spätestens 1989 mit der Kapitulation des realen Sozialismus der Fall. Und erst jetzt, zwanzig Jahre danach, mit dem Verblassen der Erinnerung an die Schrecken des Realsozialismus kann Die Linke ihr Alleinstellungsmerkmal voll zur Geltung bringen: Vertreterin des idealen Sozialismus zu sein, den die DDR nur deshalb nicht verwirklichen konnte, weil sie für diese große Idee zu klein war.
Heute gibt es auf der politischen Linken keine Kraft mehr, die Die Linke in Schach hielte. Im Gegenteil, Die Linke nimmt ihrerseits die SPD in Geseiselhaft, teilt sie mit ihr doch das Ziel des demokratischen Sozialismus. Es würde mich nicht wundern, in meiner Akte, so es sie denn (noch) gibt, Namen zu finden, die heute in beiden Parteien einträchtig an diesem Projekt werkeln. Stasi-Informanten im Westen waren nämlich Gesinnungstäter; im Osten waren es Opportunisten und Karrieristen. Gemeinsam war ihnen nur eines: Es waren Wichtigtuer.
 

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