Freitag, 24. Februar 2023

Wenn sich Diktatur und Krieg die Hand reichen

Gedenken und Gedanken anlässlich des 80. Todestages von Mildred Harnack und des Jahrestags des russischen Angriffs auf die Ukraine

16. Februar 2023. Am Schild der Mildred-Harnack-Straße in Berlin-Friedrichshain, das sich auf Höhe des Vorplatzes der Mercedes-Benz Arena befindet, ermöglicht ein Baustellen-Poller das Anbringen einer roten Nelke zum Gedenken an Mildred Harnack.

Das war eine gelungene Kundgebung zum Gedenken an Mildred Harnack anlässlich ihres 80. Todestags! Schon ein paar Tage her, fand sie im Freien statt, in Friedrichshain und zum Glück bei winterlich mild-trockenem Wetter am Donnerstag, dem 16. Februar 2023. Auf den Tag genau 80 Jahre zuvor, am 16. Februar 1943, es war ein Dienstag, hatte der Scharfrichter in der Berliner Hinrichtungsstätte Plötzensee das Todesurteil des Reichskriegsgerichts vollstreckt und Mildred Harnack um 18:57 Uhr mit dem Fallbeil enthauptet. Die Hinrichtung geschah nicht zufällig zwei Tage vor dem Abend des 18. Februar 1943, an dem Reichspropagandaminister Joseph Goebbels im Berliner Sportpalast seine berüchtigte Rede zur Einstimmung auf den „totalen Krieg“ hielt. Da war der totale Krieg gegen die politischen Gegner im Inneren des Reiches bereits in vollem Gange, allerdings im Geheimen: Ohne es an die Öffentlichkeit zu tragen, waren am 22. Dezember 1942 schon elf Regimegegner in Plötzensee hingerichtet worden, unter ihnen Mildreds Ehemann Arvid Harnack.

Wie es zu diesen Staatsverbrechen gekommen war, schildern die Veranstalter (es sind zwei Bürgerinitiativen, die Stadtteilgruppen „Wir bleiben alle Friedrichshain“ und „Wem gehört der Laskerkiez?“, sowie die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“, kurz VVN-BdA) an diesem 80. Todestag von Mildred Harnack, geborene Fish, in mehreren Redebeiträgen mit kurzen Skizzen ihres Lebens, das in den Vereinigten Staaten von Amerika am 16. September 1902 in Milwaukee, Wisconsin,  begonnen und im Deutschen Reich in Berlin-Plötzensee so jäh und jung geendet hatte. Bei ihrer Hinrichtung lag Mildred Harnacks runder Geburtstag, es war ihr 40., auf den Tag genau fünf Monate zurück. 

Auf halber Höhe grenzt die Mildred-Harnack-Straße an den Vorplatz der Mercedes-Benz Arena. Hier findet die Gedenkkundgebung statt. Nach einführenden Worten der Moderatorin ergreift der Ehrengast des Abends das Wort: Rebecca Donner.

Die beteiligten Bürgerinitiativen haben es in ihren kurzen Referaten sehr anschaulich verstanden, die verschiedenen Stationen des Lebens und Wirkens dieser tüchtigen und tapferen Frau und Widerständlerin in Erinnerung zu rufen. Besondere Aufmerksamkeit an diesem frühen Abend fand die Anwesenheit der amerikanischen Autorin Rebecca Donner, die gleich zu Beginn der Gedenkkundgebung über das Wirken ihrer Urgroßtante Mildred im deutschen Widerstand sprach. Im Anschluss an die zusammen gut einstündigen Rede- und auch Musikbeiträge schmückten sie und die Veranstalter das Schild der Mildred-Harnack-Straße mit roten Nelken und stellten Kerzen auf den nebenstehenden Baustellen-Poller. Da war es 18:37 Uhr – und da hatte, vor 80 Jahren, Mildred Harnack noch 20 Minuten zu leben.

Rebecca Donner platziert die zweite Nelke zum Gedenken an ihre Urgroßtante Mildred, der sie mit dem gleichnamigen Buch zu breiter und dauerhafter Erinnerung verhelfen will.
 

Gut, dass es in dieser unwirtlichen Gegend neben der Mercedes-Benz Arena wenigstens dieses Straßenschild als Zeichen der Erinnerung gibt. Wer mehr über Mildred Harnack erfahren will, solle die Biografie ihrer Urgroßnichte Rebecca Donner lesen, empfahl die ebenfalls anwesende Autorin Sabine Lueken den Umstehenden. Sie hatte das Buch aus dem Berliner Kanon Verlag, das kurz und bündig „Mildred“ heißt, im Januar 2023 in der Monatszeitschrift Konkret ausführlich und positiv besprochen.

Ganz bewusst im Gegensatz zu einer negativen Besprechung in der Wochenzeitschrift Der Spiegel, die das Buch von Rebecca Donner gleich bei dessen Erscheinen im September 2022 in einer Weise zerrissen hatte, die einer zweiten Hinrichtung der Mildred Harnack gleichkam – der Hinrichtung der Erinnerung: „Reine Fantasie“ betitelte die Zeitschrift in ihrer Ausgabe 38 den Beitrag (auf gut Deutsch “Do not read this Book!”). Bei der Titelzeile handelte es sich aber nicht um die abschätzigen Worte der beiden – mit dem Thema erkennbar überforderten – Spiegel-Autoren, sondern um das Zitat einer Randnotiz des Leiters der Gedenkstätte deutscher Widerstand zu einer nicht näher genannten Textstelle im Buch. Diese Randglosse der von Amts wegen befragten Autoritätsperson hatte die Redaktion des Blattes als Überschrift des Buchverrisses gewählt. *)

Den Rednern auf der Veranstaltung, allesamt keine deutungsbefugten Beamten staatlicher Erinnerungspolitik und überwiegend auch keine ausgewiesenen Historiker, gelang es hingegen zutreffend, die Art des Widerstands zu beschreiben, den das Reichskriegsgericht für todeswürdig erachtet hatte. Das Urteil gegen Mildreds Ehemann Arvid Harnack nennt als Gründe „Vorbereitung zum Hochverrat, Feindbegünstigung und Spionage“. Dazu muss man wissen, dass Mildred Harnacks Ehemann als Oberregierungsrat im Reichswirtschaftsministerium arbeitete und seiner Ehefrau geheimes Wissen über die Kriegsvorbereitungen mitteilen konnte, das sie ihrerseits an die Verantwortlichen in der Amerikanischen Botschaft in Berlin weitergab, mit denen sie gut bekannt, teils sogar eng befreundet war.

Das Leitmotiv der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN-BdA) als Banner der Erinnerung.
 

Streng genommen war es also kein Hochverrat, der auf den gewaltsamen Umsturz im Innern gerichtet ist, sondern juristisch gesehen Landesverrat, der den eigenen Staat in seiner Sicherheit gegenüber ausländischen Staaten schwächen soll. Das macht einer der Redner auf der Gedenkveranstaltung überraschend deutlich klar: dass es Mildred Harnack und ihrem Ehemann, die Teil eines losen Netzwerks von Regimegegnern waren, nie möglich und deshalb auch nie in den Sinn gekommen wäre, die Reichsregierung stürzen zu wollen. Das Regime saß so fest im Sattel, dass nur ein gewaltsamer Umsturz von außen, herbeigeführt durch einen Sieg der alliierten Armeen im Krieg mit dem Deutschen Reich, den Regimewechsel erzwingen konnte.

Die Tragödie beider Harnacks ist nicht nur, dass für sie dieser löbliche Landesverrat tödlich endete, sondern auch, dass er beide Male nicht gefruchtet hatte. Als Mildred Harnack ihre Vertrauten in der Amerikanischen Botschaft im Sommer 1939 unterrichtete, dass die massive Aufrüstung der Wehrmacht auf akute Kriegsvorbereitung hindeutete, da stieß  sie auf taube Ohren. (Zu der Zeit wusste sie nichts vom bevorstehenden, am 23. August 1939 im geheimen Zusatzprotokoll zum Deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt vereinbarten gemeinsamen Angriffskrieg der deutschen und der sowjetrussischen Regierung gegen Polen und der von der Reichsregierung gebilligten Absicht Sowjetrusslands, sich nicht nur die Westukraine und das westliche Belarus einzuverleiben, sondern auch gleich noch dazu die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie Teile Rumäniens.) Und als Arvid Harnack seinen Vertrauten in der Sowjetischen Botschaft im Juni 1941 vom bevorstehenden Angriffskrieg der deutschen gegen die eben noch verbündete sowjetische Armee informierte, vom Aufmarsch der Wehrmacht an den gerade erst neu gezogenen Grenzen vom September 1939, da stieß er auf verschlossene Augen. Stalin höchst selbst, von seinem Geheimdienstchef desinformiert, wischte die Warnung vom Tisch.

Und das machte die persönliche Tragödie beider Harnacks, ihr Leben zu verlieren und nichts zu bewirken, zu einer historischen Tragödie nie gesehenen Ausmaßes in Europa: Die Rote Armee zog sich, auf den Angriff vom 22. Juni 1941 unvorbereitet, überrumpelt nach Russland bis kurz vor Leningrad und Moskau zurück und lieferte Millionen Bürger der westlichen Sowjetrepubliken, vor allem auf den Territorien der Ukraine, von Belarus und der drei baltischen Länder, der Willkür des Angreifers aus. In der Folge fanden in den Jahren der deutschen Besatzung Millionen Bürger den Tod durch Kriegshandlungen, Kriegsverbrechen und Zwangsarbeit, rund zwei Millionen kriegsgefangene Rotarmisten ließ die Wehrmacht allein im Winter 1941/42 verhungern und erfrieren, und fast dreimal soviel jüdische Bürger nicht nur aus und in den besetzten Gebieten im Osten, sondern dorthin deportiert aus dem Westen Europas, fanden von 1941 bis zur Rückkehr der Roten Armee, die letzten noch Anfang 1945, den Tod in der Shoa, dem vom deutschen Staatsapparat organisierten und von Staatsdienern in den besetzten Gebieten exekutierten Völkermord an den europäischen Juden.

Der Baustellen-Poller nimmt anschließend die Funktion eines Altars ein – der dort hinterlegte Aufruf zur Gedenkveranstaltung zeigt ein Foto von Mildred Harnack.

Die persönliche Tragödie der Eheleute Harnack und die europäische Dimension ihres Scheiterns kamen bei der Gedenkveranstaltung nicht zur Sprache. Es zeigt sich aber, wie anregend solcherart Erinnerung ist, die Gedanken freisetzt, die ohne das Engagement der beteiligten Bürgerinitiativen keinen Anlass gehabt hätten, gedacht zu werden. Solche Gedanken kommen einem in den Sinn, wenn am Tag ihrer Niederschrift (es ist mittlerweile der 20. Februar 2023) der Besuch des amerikanischen Präsidenten in Kiew Topmeldung in den Nachrichten ist. Man mag von ihm halten, was man will, aber es war Präsident Joe Biden, der bereits im Februar 2022 vor dem bevorstehenden Angriff warnte, als russische Truppen an den Grenzen zur Ukraine aufmarschierten wie weiland im Juni 1941 die Truppen der deutschen Wehrmacht, nur standen diese im Westen vor der Ukraine und nicht im Osten wie die russischen vor einem Jahr.

War Mildred Harnack 1939 in der Amerikanischen Botschaft noch auf taube Ohren gestoßen, so hat der amerikanische Präsident 2022 gezeigt, dass er aus der Tragödie von damals gelernt und offene Augen für das Hier und Heute hat. Das revanchistische Sowjetrussland von 1939 gibt es nicht mehr, das seine 1921 an Polen verlorenen Gebiete (Friedensvertrag von Riga) zurückerobern wollte; geblieben ist das revisionistische Russland von heute, das seine 1991 mit der Auflösung der Sowjetunion verlorenen Gebiete (Vertrag von Alma-Ata) zurückerobern will.

Solange es in Moskau keine beherzte Widerständlerin gegen die „Spezialoperation“ gibt, die Landesverrat begeht, besser noch den Hochverrat vorbereitet und mithilft, dem russischen Präsidenten einen gelingenden Zwanzigsten Juli zu bescheren, solange werden die Bürger der Ukraine sterben wie sie immer schon gestorben sind, wenn ein allmächtiger Staat in ihrer Nachbarschaft auf Landraub sinnt. Einst gab es deren gleich zwei – gäbe es am Ende keinen mehr, wäre das ein Glück nicht nur für die Bürger der Ukraine, sondern für alle Bürger der Europäischen Union, zu der dann auch die Ukraine gehörte. Erst ohne Landräuber auf dem Kontinent werden sich Diktatur und Krieg nie wieder die Hand reichen. Jedenfalls nicht in Europa.

Info  Das erwähnte Buch von Rebecca Donner heißt in voller Länge  „Mildred. Die Geschichte der Mildred Harnack und ihres leidenschaftlichen Widerstands gegen Hitler“, hat einen Umfang von 616 Seiten und ist im September 2022 im Berliner Kanon Verlag erschienen.

Um der unheiligen Allianz von Spiegel-Redaktion und GdW-Leitung die Deutungshoheit nicht ganz allein zu überlassen, soll am Ende auch die einzige aktuell im Buchhandel verfügbare Biografie über Mildred Harnack Sichtbarkeit finden. (Diese Abbildung der Mildred-Biografie von Rebecca Donner habe ich mir erlaubt von der Website des Kanon Verlags herunterzuladen.)

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Nachtrag vom 27. Februar 2023

*) Die Titelzeile der aktuellen Onlineversion des Spiegel-Artikels, darauf macht mich heute Sabine Lueken aufmerksam, lautet nicht mehr wie in der Printausgabe „Reine Fantasie“ (DER SPIEGEL Nr. 38 / 17.9.2022), sondern nunmehr, neu datiert, „Wie viel Dichtung verträgt ein historisches Sachbuch?“ (18.09.2022, 17.09 Uhr • aus DER SPIEGEL 38/2022).

Diese Onlineversion des Artikels ist zwar weiterhin negativ, aber keine „zweite Hinrichtung“ mehr, was zuallererst an der neuen Überschrift liegt. Hinzu kommen zusätzliche Bemerkungen im Text, die das vernichtende Urteil der Printausgabe abschwächen. Der Protest von Rebecca Donner, den sie gleich bei Erscheinen des Verrisses im gedruckten Heft bei der Spiegel-Redaktion eingelegt hatte, hat offenbar Wirkung gezeigt, ohne die negative Gesamttendenz zu verändern. Und vor allem ohne den Schaden zu beheben, den die bereits weit verbreitete und somit unkorrigierbare ursprüngliche Print- und gleichlautende Digtalausgabe angerichtet haben – den wirtschaftlichen Schaden durch unterbliebene Buchkäufe und den Schaden, den das Ansehen der Autorin erlitten hat.

Bemerkenswert ist, dass in der Onlinefassung ein ganz neuer Absatz auftaucht, der in der Printausgabe möglicherweise als Überlänge des Manuskripts gekürzt worden war. Darin kommt nicht nur erneut der Leiter der Gedenkstätte deutscher Widerstand (GdW) zu Wort, sondern nun wird auch dessen eigenes Buch, das er in Corona-Zeiten fertiggestellt hat, erwähnt und gewürdigt. Hier der neue Absatz, den es nur in der Spiegel-Online-Fassung gibt:

[Er] „wehrt sich gegen den Vorwurf, die Forschung habe Frauen im Widerstand zu wenig beachtet. Erst vor Kurzem hat er selbst ein Buch über die »Rote Kapelle«-Widerständlerin Liane Berkowitz veröffentlicht. Mildred Harnacks Beteiligung habe die Autorin Shareen Blair Brysac in ihrer Biografie besprochen, die 2003 auf Deutsch erschien.“

Es kommt einem so vor, als würde zum Ausgleich des weniger negativen Gesamturteils das immer schon Positive der maßgeblichen Forschung in persona des GdW-Langzeitleiters herausgestellt. Tatsächlich war dessen eigenes Buch Ende Juli 2022 erschienen – sechs Wochen vor Rebecca Donners „Mildred“, der Arbeit einer forschungsfremden Außenseiterin.

Zur Erinnerung an den Tag der Erinnerung ein Foto der Buchautorin Rebecca Donner und der Buchrezensentin Sabine Lueken unter dem mit roten Nelken geschmückten Schild der Mildred-Harnack-Straße. Fotos © Dr. Rainer Bieling


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Hinweis Die beiden Bürgerinitiativen Wir bleiben alle Friedrichshain und Wem gehört der Laskerkiez?, die zum Kreis der Veranstalter gehören, haben ebenfalls einen Bericht über die Veranstaltung verfasst und am 27. Februar 2023 unter dem Titel Das Gedenken ist eine politische Waffe – zur Erinnerung am Mildred Fish-Harnack auf der Website Kontrapolis veröffentlicht. Darin ist auch der Inhalt der einzelnen Redebeiträge wiedergegeben und zudem sind zwei Punkte angesprochen, die ich in meinem Bericht nicht behandelt habe.

Zum einen, und das wird schon in der Überschrift deutlich, bemängeln die Bürgerinitiativen den unvollständigen Namen des Straßenschilds; denn Mildred habe ihren Geburtsnamen nie abgelegt und heiße folglich korrekterweise Mildred Fish-Harnack. Darauf hatte bereits taz-Autor Peter Nowak in seinem Beitrag Teil des Namens fehlt auf dem Straßenschild hingewiesen, in dem er am 16. Februar 2023 in der tageszeitung auf die für den Nachmittag geplante Gedenkveranstaltung aufmerksam machte.

Flyer mit der Einladung zum Gedenken an Mildred Harnack. Quelle: Veranstalter der Kundgebung am 16. Februar 2023

Zum anderen stellt der Bericht der beiden Bürgerinitiativen einen Redebeitrag heraus, der gegen Ende der Veranstaltung eine Aktionsform zum Inhalt hatte, die sich heute unter dem Namen Adbusting einiger Beliebtheit erfreut. Wikipedia weiß: „Adbusting (aus den englischen Wörtern ad – Kurzform von advertisement = ‚Werbung‘ und dem Verb to bust – umgangssprachlich = ‚zerschlagen‘) ist eine Aktionsform, bei der Werbung im öffentlichen Raum (Außenwerbung) verfremdet, überklebt oder auf andere Weise umgestaltet wird, um so ihren Sinn umzudrehen oder lächerlich zu machen.“

Als eine frühe Form von Adbusting identifizierte der Redner auf der Veranstaltung die sogenannte Klebezettelaktion, mit der Berliner Widerständler in der Nacht vom 17. auf den 18. Mai 1942 die Werbung für die Propaganda-Ausstellung „Das Sowjetparadies“ zu konterkarieren versuchten. Im weitesten Sinn waren diese Klebezettel mit der Aufschrift „Ständige Ausstellung: Das Naziparadies / Krieg, Hunger, Lüge, Gestapo / Wie lang noch?“ tatsächlich eine Art Adbusting, allerdings waren Mildred Harnack und ihr Ehemann Arvid beide nicht an der Aktion beteiligt, die von befreundeten Widerstandskreisen ausging – und etliche Beteiligte das Leben kosten sollte, weil die Herren des totalen Staates auch Widerworte auf Klebezetteln nicht duldeten.

Eine frühe Form von Adbusting: Klebezettel vom Mai 1942. Quelle: Bundesarchiv

Weitere Veranstaltungen Unter dem Titel Adbusting und Kommunikationsguerilla im Kampf gegen Hitler laden die Stadtteilinitiativen Wir bleiben alle Friedrichshain und Wem gehört der Laskerkiez? gemeinsam mit dem Politischen Café des Zielona Gora am Donnerstag, dem 16. März 2023, ab 20 Uhr zu einem Vortrag des Berlin Social Busters Club in den Stadtteilladen Zielona Gora in der Grünberger Straße 73 in Berlin-Friedrichshain ein. Zuvor um 18 Uhr und jeweils um 18 Uhr auch an den folgenden Donnerstagen bis einschließlich 30. März 2023 zeigt das Politische Café im Zielona Gora am Boxhagener Platz Dokumentar- und Spielfilme, die das Handeln der verschiedenen Widerstandskreise beleuchten, die unter dem Sammelnamen Rote Kapelle mehr Gleichklang suggerieren, als im Berliner Untergrund der 1930er- und frühen 1940er-Jahre möglich war.

Den Hinweis auf den Bericht der beiden Bürgerinitiativen und auf deren Veranstaltungen im März 2023 erhielt ich nachträglich und habe ihn meinem Bericht am 15. März 2023 hinzugefügt.
Postskriptum: Zielona Gora als Name des Stadtteilladens in der Grünberger Straße erinnert daran, dass Grünberg in Schlesien seit 1945 polnisch ist: „Die Polen führten für Grünberg im März 1945 die Ortsbezeichnung Zielona Góra ein, die übersetzt grüner Berg bedeutet“, weiß Wikipedia.

Zum Abschluss noch eine kleine gute Nachricht: Rebecca Donners „Mildred“ ist nun auch in der Bibliothek der Topographie des Terrors verfügbar; zum Zeitpunkt der Aufnahme am 31. März 2023 lag „Die Geschichte der Mildred Harnack und ihres leidenschaftlichen Widerstands gegen Hitler“ gut sichtbar im Eingangsbereich in dem Regal mit den Neuerwerbungen. Hier posiert sie, ohne Schutzumschlag mit ihrem Porträtfoto auf dem Titel gut erkennbar, auf dem Eingangstresen.