Dienstag, 2. Juni 2009

2. Juni, der 42.


Nein, niemand muss die Geschichte umschreiben. Aber jeder sollte die Gegenwart umdenken. Die Protestbewegung von 1967-68 ff. bleibt im Rückblick so janusköpfig, wie sie zur Echtzeit war. Für sie gilt wie für jede gleichartige Bestrebung vor ihr: Das Antiautoritäre hat das Totalitäre zum Zwilling. Neu zu beschreiben ist indes die Rolle des Täters, der die Ereignisse des 2. Juni 1967 herbeigeschossen hat, der sich heute zum 42. Mal jährt. Nun wissen wir, dass es ein SED-Mitglied, ein überzeugter Anhänger des real existierenden Sozialismus war, der Benno Ohnesorg umgebracht hat, ein Mitglied jener Partei, die heute Die Linke heißt. Ein Agent der Staatssicherheit jenes Unrechtsstaates hinter der Mauer, den Die Linke und die gescheiterte sozialdemokratische Präsidentschaftskandidatin sich weigern, einen Unrechtsstaat zu nennen (siehe Eintrag vom 23. Mai, unten). Der Tod von Benno Ohnesorg wird durch die neuen Erkenntnisse zu einem weiteren realsozialistischen Verbrechen, und die gleichzeitige Leugnung des Unrechtscharakters der DDR, in deren Diensten der Täter stand, macht den Todes-Schuss vom 2. Juni 1967 (Abbildung oben, Ausriss aus der BZ vom 23. Mai 2009) zu einem virtuellen Doppelmord: Zur Leugnung einer Unrechtstat kommt die Leugnung eines Unrechtsstaats.

Nachsatz: "Benno Ohnesorg, Opfer eines Stasi-Agenten" steht auf dem Kranz, den die Vereinigung 17. Juni 1953 am Denkmal vor der Deutschen Oper niedergelegt hat. Das berichtet Der Tagesspiegel am Ende des Tages und zeigt ein paar Fotos von der Verhüllung des Denkmals Der Tod des Demonstranten am Platz der Deutschen Oper. Ich habe das Denkmal drei Wochen später fotografiert: So sieht es aus.

Links zu Lesenswertem: Auf achgut (Die Achse des Guten) beschreibt der Journalist Wolfgang Röhl, Warum mich der Casus Kurras nicht interessiert. Eine Rückblende auf die Zurichtung der West-Linken durch die Organe der DDR und ihren Nutzen für die Propaganda der SED. Und auf Jungle World betrachtet ein anderer Journalist, Ivo Bozic, Das Ohnesorg-Theater und fragt sich: Muss die Geschichte umgeschrieben werden? Und wenn ja, wessen? Ein Rückblick auf die Liaison von RAF, Bewegungung 2. Juni und Stasi mit aktuellen Zitaten von seinerzeit Beteiligten.

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