Mittwoch, 26. August 2009

Springer Tribunal abgesagt und doch dringend nötig


Das erste, was ich nach den Ferien erfahre, ist die Absage des Springer Tribunals. Das geht aus einer Pressemeldung der Axel Springer AG vom 22. August hervor und ist schade, wirklich jammerschade; denn die Idee hatte mir sehr gut gefallen (siehe meinen Eintrag vom 3. Juli 2009 weiter unten). Der Grund scheint zu sein, dass namhafte Beteiligte der Enteignet-Springer-Kampagne von 1968 ihre Mitwirkung versagt haben. Das geht aus einer Stellungnahme des WELT-Chefredakteurs Thomas Schmid vom gleichen Tag hervor, ebenso aus einer Begründung vom 23. August, als deren Verfasser SPIEGEL ONLINE Peter Schneider, Bernhard Blanke und Daniel Cohn-Bendit nennt.

Vierzig Jahre nach 1968 ist die ideologische Verhärtung der Nach-68er Linken deutlich verfestigter als es die ideologische Verhärtung der Vor-45er Rechten je war, die sich vierzig Jahre nach ihrer Zeit, 1985, praktisch vollkommen in Luft aufgelöst hatte. Ich kann mich jedenfalls aus diesen Jahren an keinen waschechten Nationalsozialisten mehr erinnern. Statt dessen haben wir bereits zwanzig Jahre nach dem Mauerfall wieder jede Menge waschechter Realsozialisten, mit denen sich die kleine Schar der ewig Gestrigen von 1968 zusammentun könnte, wäre da nicht ein 70er-Jahre-Rest von antirevisionistischem Vorbehalt. Den scheint Cohn-Bendit aber gerade über Bord zu werfen, wenn ich seine Einlassung bei der Sommeruniversität der französischen Sozialisten Ende August 2009 in Marseilles recht verstehe. Ich würde es bedauern, wenn es der neuen Alten Linken tatsächlich gelänge, sich die alte Neue Linke restlos einzuverleiben. [Siehe zum Thema Die Linke auch oben die beiden Schlussabsätze meines Eintrags vom 27. August 2009 anlässlich des Besuchs der Birthler-Behörde.]

Das Foto oben ist im 17. Stockwerk des Hochhauses der Axel Springer AG aufgenommen (mit Blick auf die Oranienstraße und die Bundesdruckerei - Bild lässt sich durch Anklicken vergrößern), und zwar nachträglich am 11. Januar 2010 und zeigt deshalb nicht, wie sich der Chefredakteur der Welt wegen der Absage des Tribunals vor Enttäuschung aus dem Fenster stürzt. Zu sehen ist vielmehr die Nachbildung der Figur eines Mauerspringers, die jetzt in groß und echt auf dem Vorplatz des Axel-Springer-Hauses steht. Die Skulptur heißt Balanceakt und stammt von Stephan Balkenhol. Friede Springer hat sie am 25. Mai 2009 enthüllt. Und Thomas Schmid enthüllt an jenem winterlichen 11. Januar 2010, dass es ab 17. Januar 2010 die Online-Datenbank Medienarchiv68 geben werde, in dem alle Zeitungstexte aus dem Hause Springer zur Protestbewegung der Studenten von 1966 bis 1968 nachzulesen sein werden. Prosit - es möge nützen.

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