Das ist eine klasse Idee: Der Branchendienst meedia bringt jetzt jeden Tag eine aktuelle Galerie mit den Titelseiten der Tageszeitungen. Beginnend mit der Bild-Zeitung folgen die großen und kleinen Abonnement-Zeitungen von der FAZ zur taz, von der Welt zur Financial Times Deutschland. Anschließend an weitere deutsche Blätter kommen die großen US-amerikanischen Zeitungen New York Times, Washington Post und Wall Street Journal, dann die britischen Blätter und zum Schluss die französischen, die Libération stets dabei.
Nicht nur für Journalisten ist das interessant, sondern überhaupt für alle, denen das Zeitgeschehen nicht schnurz ist. Die können erstaunt feststellen, wie verschieden ein und derselbe Vortag in den vier Vergleichsländern Deutschland, Vereinigte Staaten, Großbritannien und Frankreich auf den Titelseiten abgebildet wird. Beträchtlich auch der Unterschied innerhalb Deutschlands, an manchen Tagen scheint es nicht sicher, ob sie alle im selben Land erscheinen. An anderen Tagen wiederum wirken sie wie wundersam gleichgeschaltet (gleiches Titelfoto, fast gleiche Titelzeile).
Ganz schön aus der Rolle gefallen ist gestern die tageszeitung (Abbildung: Titelseite der taz vom 18. Juni, lässt sich durch Klicken vergrößern und lesen). Zwar hat auch die FAZ den 80. Geburtstag von Jürgen Habermas zum Titelthema gemacht, aber längst nicht so eindringlich wie die taz. Was diese Titelgestaltung so bemerkenswert macht, ist, dass sie sich an die Einbandgestaltung von suhrkamp taschenbuch wissenschaft anlehnt, die der Typograf Willy Fleckhaus in den 1960er Jahren für die seinerzeit intellektuell führende Taschenbuchreihe entwickelt hatte. Chapeau! Und so kurbelt der neue meedia-Dienst sogar den Verkauf an: Ich habe die taz von gestern soeben bei meinem Zeitungshändler nachbestellt - danke, Herr K. Die muss ich haben!
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Und, hat es sich gelohnt? Fragte mich Herr K. die Woche darauf, und ich antwortete ihm: Ja, sehr sogar, ich fand eine Perle. Davon will ich in diesem Nachtrag kurz berichten. Die Perle war ein Beitrag von Norbert Bolz, hieß Das Paradies des Diskurses (taz vom 18.6.2009, Seite 4) und ist leider nicht online nachzulesen. Darin erhält Habermas' Theorie ein Begräbnis erster Klasse, so kurz und bündig, das es ein intellektuelles Vergnügen ist, auch wenn es sehr schnell vorbei geht. Aber zum Glück ist der Autor Vielschreiber. Obwohl er ganz in der Nähe an der Technischen Universität Berlin Leiter des Fachgebietes Medienwissenschaft ist, hatte ich bis dahin nichts von ihm gehört oder gelesen. Das lässt sich nun leicht ändern: Bei Amazon habe eine lange Buchliste gefunden und bei Wikipedia eine lange Linkliste zum Weiterlesen. Ein Link führt zu einem aktuellen Focus-Interview, in dem Norbert Bolz abschließend sagt: "Ich stelle beispielsweise die These auf, dass nicht der islamistische Terror das Problem ist, sondern der Islam selbst." Er wird sich freuen zu erfahren, dass er da nicht allein steht. Danke, taz.
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