Die Jahreskonferenz des Ludwig von Mises Instituts Deutschland 2019 versuchte, die stimmgewaltigen Solisten der Gegenwart besser zu verstehen: die neuen Sozialisten.
Vorbemerkung Der nun folgende Beitrag erschien am 7. November 2019 unter dieser Überschrift im Online-Magazin AnlegerPlus News #11, dem monatlichen Newsletter für Kapitalanleger, den die SdK – Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. herausgibt. Darin berichte ich von der Münchener Ludwig von Mises Konferenz, die am 19. Oktober 2019 im Hotel Bayerischer Hof stattfand.Andreas Marquart, Vorstand des Ludwig von Mises Instituts Deutschland und Autor des Erklärbuchs „Crashkurs Geld“, begrüßt die Gäste zur Jahreskonferenz am 19. Oktober 2019 in München. |
30 Jahre nach dem Scheitern des real existierenden Sozialismus im damaligen Ostblock sehen einige Wirtschaftswissenschaftler eine neue Welle sozialistischen Denkens heraufziehen, dieses Mal allerdings in den Demokratien des Westens.
Die Jahreskonferenz des Ludwig von Mises Instituts Deutschland 2019 versuchte deshalb im Oktober in München, die tonangebenden Interventionisten der Gegenwart zu identifizieren. Unter der Überschrift „Logik versus Emotion. Warum die Welt ist, wie sie ist“ verbarg sich ein Tagungsthema, das den Nerv der Konferenzbesucher traf: woher der forcierte Angriff auf die freie Marktwirtschaft kommt, wie er funktioniert und wie sich parieren lässt.
Mit dem Namen Ludwig von Mises verbindet sich eine Denkrichtung der Wirtschaftswissenschaften, die im letzten Jahrzehnt unter dem Namen Österreichische Schule auch in ihren deutschsprachigen Herkunftsländern wieder mehr Beachtung findet. Vor allem an den Debatten um Eurorettung und Nullzinspolitik nehmen die an Mises geschulten Volkswirte seit 2012 regen Anteil und weisen auf die Schäden hin, die das staatliche Geldmonopol anrichtet. Für Kapitalanleger ist die Kenntnisnahme solcherart grundsätzlicher Kritik hilfreich, das große Bild besser zu erkennen.
Emotion versus Logik Gleich eingangs der Tagung sprach ein Psychologe und Therapeut, der heute sein Geld als bildender Künstler und Buchautor verdient: Raymond Unger. Anlass der Einladung zur Konferenz war sein Buch „Die Wiedergutmacher. Das Nachkriegstrauma und die Flüchtlingsdebatte“. Darin befasst sich Unger mit der als „Willkommenskultur“ bekannten Reaktion der Babyboomer-Generation auf die Zuwanderungswelle von 2015.
In seinem Vortrag vertrat er die These, dass die Babyboomer die heutigen Mittfünfziger seien, deren Eltern traumatisiert aus dem Zweiten Weltkrieg kamen, den sie als Kinder erlebt und erlitten hatten. Mit diesen Kriegskindern beginne eine Spirale „transgenerationaler Weitergabe“ von Schuld, die Erlösung nur finde, wenn der vermeintlich Schuldige sich zur Schuld der Vorfahren und Vorvorfahren bekenne. Und die wolle er nicht nur passiv bekennen, sondern aktiv wiedergutmachen.
Die Überführung der Automobilindustrie in Kollektiveigentum werde so am Ende ein Akt der Wiedergutmachung für „Klimasünden“. Kurz: Die psychologische Seite der neuen deutschen Rettung von allem und jedem, des Euros, der Flüchtlinge, des Klimas, sei stärker in den Blick zu nehmen; denn sie erkläre einen Hypermoralismus, der gegen jeden Einwand immun ist: Emotion versus Logik.
Logik versus Emotion Für die Umkehrung, Logik versus Emotion, das Tagungsmotto wörtlich nehmend, sprach sich Rolf W. Puster aus und gab dem Auditorium damit eine harte Nuss zu knacken. Der Professor für Philosophie ist spezialisiert auf die erkenntnistheoretische Grundierung der von Mises selbst so genannten Praxeologie, der Wissenschaft vom Denken und Handeln aller Wirtschaftssubjekte.
In seinem Vortrag machte der Referent auf den Kunstgriff aufmerksam, das Gewünschte und das Gewollte zu vermischen: Jeder wünsche sich reine Luft, aber nur wenige wollten dieses Ziel mittels CO2-Verminderung erreichen. Die Gegner dieses Wollens ließen sich moralisch leicht diskreditieren, weil sie gegen etwas von allen Gewünschtes seien – und müssten obendrein die Kosten dieses Wollens der Wenigen zahlen. Die „Klimaschützer“ schlügen zwei Fliegen mit einer Klappe.
Die fünf Referenten der Mises Konferenz 2019 stellen sich den Fragen des Auditoriums (v.l.n.r.): Rolf W. Puster, Thorsten Polleit, Raymond Unger, Philipp Bagus, Antony P. Mueller. |
Anschließend erklärte Antony P. Mueller, Professor der Volkswirtschaftslehre an der brasilianischen Bundesuniversität UFS, dass sich das neue sozialistische Projekt in allen Punkten auf das Kommunistische Manifest zurückverfolgen lasse, in dem Karl Marx und Friedrich Engels bereits 1848 für die Abschaffung des Privateigentums, der Familie, der Nationalität („Arbeiter haben kein Vaterland“) und den Bruch mit allen überlieferten Ideen plädierten – um „alle Produktionsinstrumente in den Händen des Staats, d. h. des als herrschende Klasse organisierten Proletariats, zu zentralisieren“.
Philipp Bagus, Professor für Volkswirtschaft an der Universidad Rey Juan Carlos in Madrid, analysierte in seinem Vortrag das Paradox, dass sich nach jedem Scheitern eines sozialistischen Experiments stets aufs Neue eine Bewegung formiere, die zum x-ten Mal das Heil in der Verstaatlichung verkündet. „Dieses Mal wird alles anders“, so gehe die Begründung; denn die Gescheiterten hätten ja keinen echten, nicht den wahren Sozialismus verfochten. Der Sozialismus – das ewige Stehaufmännchen.
Drei-Punkte-Plan Thorsten Polleit, Chefvolkswirt der Degussa und Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, knüpfte genau hier als letzter Referent an: Für sozialistische Katastrophen gebe es kein „Nie wieder“. Niemand sollte sich deshalb in Sicherheit wiegen. Also handeln, aber wie? Sein Drei-Punkte-Vorschlag lautet: erstens Entmachten der Soziopathen; zweitens den Sozialismus als „gemeingefährliche Ideologie“ brandmarken; drittens argumentative Selbstverteidigung, die promarktwirtschaftliche Aufklärungsarbeit leistet und dabei die Kontroverse nicht scheut.
Für Kapitalanleger verheiße der neue Sozialismus nichts Gutes. Darauf aufmerksam zu machen, war ein Anliegen der Tagung, Ermutigung zum Widerspruch ein zweites. 30 Jahre nach dem Ende der DDR komme der Sozialismus diesmal auf Samtpfoten daher: demokratisch, gendergerecht, diskriminierungsfrei, klimafreundlich. Ein wenig Mises soll helfen, die Tatzen des Räubers zu erkennen.
Quelle Online-Magazin AnlegerPlus News #11 vom 7. November 2019, Seiten 18-19. Hier als PDF zum Ansehen, Blättern, Herunterladen und Speichern.
Und zu guter Letzt noch als Zugabe das Abschiedsfoto:
Nach der Konferenz ein Erinnerungsfoto (v.l.n.r.): Andreas Marquart, Rolf. W. Puster, Raymond Unger, Philipp Bagus, Antony P. Mueller, Thorsten Polleit. | Alle Fotos © Dr. Rainer Bieling |
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