Donnerstag, 30. Juni 2011

Güner Balci trifft (nicht) auf Rita Süssmuth

Güner Balci bei der Veranstaltung am 29. Juni 2011

Eine so missglückte Veranstaltung habe ich, wenn ich recht erinnere, überhaupt noch nicht erlebt. Weil hier Grundsätzliches schief ging und mein Unmut groß ist, halte ich die Einwände fest: Eingeladen hatte die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit mit der Verheißung Rita Süssmuth und Güner Balci streiten über Integration. Der Abend begann mit einem Vortrag von Rita Süssmuth. Die frühere Präsidentin des Deutschen Bundestages brauchte 60 Minuten für die Darlegung ihres integrationspolitischen Imperativs „Habt euch lieb!“. Ältere Leser werden sich erinnern, dass es einst Schallplatten gab, die vor Kratzern zu bewahren waren. Gab es doch einen, wiederholte sich die Liedzeile nach jeder Umdrehung: Die Platte hatte einen Sprung. So war nach 6 Minuten klar, worauf es Rita Süssmuth ankam. Nach 20 Minuten und der dritten Wiederholung war es nur noch der Respekt vor der Lebensleistung der Vierundsiebzigjährigen, der mich auf dem Stuhl hielt.

Bei genauem Hinhören und weniger wohlwollender Wiedergabe lautete Süssmuths Imperativ allerdings schlicht und einseitig „Habt sie lieb!“ Die Alteingesessenen müssten sich ändern, um die Neuhinzugekommenen auf- und annehmen zu können. Die Welt dermaßen auf den Kopf gestellt, sind Integrationsprobleme die Probleme von Deutschen, die sich mit allem Neuen und Anderen schwertun. Nach 60 quälenden Minuten eines mäandernden Vortrags musste Rita Süssmuth zu einem wichtigeren Event und konnte das Versprechen der Veranstaltung, „Rita Süssmuth und Güner Balçi streiten über Integration“, nicht einlösen. Ich empfand eine gewisse Erleichterung, aber da wusste ich noch nicht, was folgen würde.

Rita Süssmuth, 29. Juni
Der zweite Flop des Abends war der postmoderne männliche Schlaumeier Imran Ayata, der nun mit Güner Balci über Integration streiten sollte. Der alerte und eloquente Schriftsteller und Diskjockey, der so fließend und akzentfrei Deutsch spricht wie jeder andere Anfangsvierziger aus dem linksliberalen Establishment, wie es vorzugsweise den Prenzlauer Berg bevölkert, verblüffte erst mit der Mitteilung, ihm werde oft die Frage nach seiner Integration gestellt – lachhaft. Um dann das Thema Integration ein Thema zu nennen, das sich nicht stelle und um das es gar nicht ginge – was für eine sinnlose Einlassung. Arme Güner Balci! Was soll man nach so einer Vorrednerin und zu so einem Mitdiskutanten noch sagen?
Sie hat sich wacker geschlagen, aber: what a waste of time! Mit Leuten über ein Problem zu diskutieren, die das Problem leugnen, das ist Zeitverschwendung auf niedrigem Niveau. Um das Problem bei dieser Gelegenheit nun doch einmal zu definieren und meine Wertung zu präzisieren: Es gibt in Deutschland kein Problem bei der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Es gibt in Deutschland ein Problem der Nichtintegrationsfähigkeit von Menschen mit Segregationsvordergrund.
> Ein Mensch mit Migrationshintergrund ist jemand wie Imran Ayata. Da ist nichts zu integrieren, da ist kein Problem außer dem, dass ich mit seiner Beliebigkeit von Relativieren und Realitätsverweigerung ein Problem habe.
> Menschen mit Segregationsvordergrund hingegen kommen stets im Plural daher, sind türkische, kurdische oder arabische Muslime und bilden transfergestützte Gegengesellschaften. Auch da ist nichts zu integrieren, aber hier ist es ein Problem. Das Problem besteht darin, dass es sich um männlich dominierte und meist frisch (nach 9/11) islamisierte Kollektive handelt, deren geschlossenes Weltbild mit den Werten, Rechten und Freiheiten der offenen Gesellschaft auf Kollisionskurs liegt. Darüber wäre zu reden gewesen, aber in der Konstellation ging das nun gar nicht. Die Landeszentrale möge künftig klüger entscheiden, wen sie mit wem diskutieren lassen will – und worüber.
Nachsatz: Güner Balci hat zwei sehr gute Romane geschrieben, Arabboy und ArabQueen, die literarisch gelungen und thematisch treffend in den mikrototalitären Kosmos dieser Kollektive eintauchen und von männlicher Anmaßung, weiblicher Unterwerfung und Enteignung des Ichs berichten.
Beide Romane stehen schon lange unter Meine Buchtipps (links in der Randspalte), mit Arabboy beschäftigte sich mein Blogeintrag vom 5. März 2009, und Güner Balci selbst war bereits Anlass eines Blogeintrags am 14. Dezember 2010.

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