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Güner Balci und Thilo Sarrazin zu Gast bei Lea Rosh. |
Das Erhellende an diesem Abend ist zweierlei: Der Befund, dass ein Teil, wahrscheinlich die Mehrheit der muslimischen Einwanderer sich in Deutschland nicht integriert und auch nicht vorhat, das zu tun, ist mittlerweile Konsens unter Deutschen, die in Parallelgesellschaften keine Bereicherung sehen, sondern den Verlust von Kohäsionsfähigkeit - der inneren Kraft offener pluralistischer Gesellschaften, den Zusammenhang der vielen verschiedenen Einzelinteressen zu stiften und beständig zu erneuern. Das Deuten dieses Befundes und das Ändern des Sachverhalts, den er beschreibt, sind hingegen noch konsensbedürftig.
Lea Rosh vereinte erstmals in ihrem gestrigen Salon im Ephraim-Palais die Berlinerin Güner Balci und den früheren Berliner Finanzsenator Theo Sarrazin im Gespräch. Güner Yasemin Balci ist Autorin der beiden Tatsachenromane Arabboy, mit dem ich mich in diesem Blog schon beschäftigt habe (siehe Eintrag vom 5. März 2009), und Arabqueen, die ich auch als Theaterstück im Heimathafen Neukölln gesehen habe (empfehlenswert, nächste Vorstellungen im Januar 2011). Thilo Sarrazin ist zur Zeit ebenfalls hauptberuflich Autor, Deutschland schafft sich ab liegt in dreizehnter Auflage vor, wenn ich es mir richtig gemerkt habe. Seine Kopftuchmädchen, ein Ausdruck des türkischen Nobelpreisträgers Orhan Pamuk (Hauptfiguren in dessen Roman Schnee, den es im Dezember 2010 im Ballhaus Naunynstraße in einer gelungenen Theaterversion gab), waren ebenfalls schon Gegenstand dieses Blogs (siehe Eintrag vom 10. Oktober 2009). Kurz, Lea Rosh (zu ihrem Auftritt beim Freitag Salon im Maxim Gorki Theater siehe meinen Blogeintrag vom 9. November 2010) brachte zwei Bekannte zusammen, auch wenn (s)ich beide in echt noch nie gesehen hatte(n).
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Lea Rosh hält Sarrazin von vorn fest, der Spiegel von der Seite. |
Ein früherer Lehrer der Ferdinand-Freiligrath-Schule aus der Kreuzberger Bergmannstraße bringt es am Ende auf den Punkt: Wir haben es nicht mit einer anderen, neuen Kultur zu tun, die wir als Bereicherung unserer eigenen, alten Kultur zu begrüßen hätten, als würde sich B zu A gesellen, sondern wir haben es in den muslimischen Parallelwelten mit einer grundsätzlichen Verweigerung der Menschenrechte zu tun, die weit über die grundgesetzwidrige Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts der muslimischen Frauen und Mädchen hinausgeht, jener Enteignung der Frauen, die Güner Balci in Arabqueen so anschaulich beschreibt. Seit 30 Jahren, sagt der Lehrer, weigern "wir" (und meint damit die meinungsbildenden und entscheidungstragenden Eliten) uns nicht nur, diese Integrationsverweigerung zur Kenntnis zu nehmen, sondern wir (alle) unterwerfen uns ihr mit immer neuen Rücksichtnahmen auf immer neue Anmaßungen. Ein Abend wie der gestrige erhellt, warum wir uns um unsere Freiheiten nicht nur am Hindukusch, sondern gleich auch am Kreuzberg kümmern sollten.
Nachtrag zur Vertiefung: Cora Stephan macht, ebenfalls heute, in ihrem Blog auf den ins Deutsche übersetzten Artikel eines französischen Autors im Perlentaucher aufmerksam, der sich mit der Herkunft des islamistischen Kampfbegriffs der Islamophobie befasst. Von hier ist es nur ein Klick zu einem Beitrag zweier dänischer Autoren, die - ebenfalls vom Perlentaucher ins Deutsche übersetzt - darlegen, wie Kultur als politische Ideologie eingesetzt und zum totalitären Kampfbegriff der Menschenrechtsverächter wird.
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