Montag, 12. Januar 2009

Bashir schlägt Baader


Für etliche meiner Kollegen in den Leitmedien war es eine riesen Überraschung, nicht für mich: Bei der Verleihung der Golden Globes hat der isrealische Film Waltz With Bashir heute Nacht den deutschen Film Baader Meinhof Komplex als bester ausländischer Film ausgestochen. Wer zu meinen Eintrag vom 21. November 2008 nach unten skrollt, kann nachlesen, warum Bashir ein über die Maßen gelungener Film und seine Preiswürdigkeit alles, nur keine Überraschung ist. Und gleich werde ich nachtragen, warum Baader von der Jury wie auch von mir keines Blickes gewürdigt worden ist. Filme, die ich für sehenswert halte, liste ich nämlich (zum sich anregen lassen mit einem Link zur jeweiligen Film-Website versehen) in der linken Randspalte unter Meine Kinotipps auf - und was sehen Sie da: keinen Baader Meinhof Komplex. Eben.

Bashir und Baader behandeln beide jüngste Vergangenheiten und beidemal geht es um die Abwehr einer totalitären Bedrohung von Recht und Freiheit, von zäh erkämpfter Demokratie und hart erarbeitetem Wohlstand, einmal in Israel, einmal in Deutschland. Und das ist auch schon das Ende der Gemeinsamkeiten. Der Vergleich beider Filme zeigt auf dramatische Weise den vollständigen Verlust der totalitären Distinktion in Deutschland, der Fähigkeit, die Anmaßung von Gruppierungen, die auf totale Unterwerfung der Gesellschaft aus sind, zu erkennen und zu benennen. Und das in einem Land, dessen Lebensgrundlage und Daseinsrechtfertigung die doppelte Verneinung totaler Herrschaft war: Wiederauferstanden aus den Ruinen der nationalsozialistischen Diktatur, wiedervereinigt durch den gewaltlosen Aufstand gegen die realsozialistischen Machthaber.

Waltz With Bashir erzählt aus der Sicht eines jungen Soldaten von der militärischen Operation der israelischen Armee im Jahr 1982 (Libanonfeldzug), um die Attacken der Araber auf Israel aus dem Libanon heraus durch einen Einmarsch in den Libanon und die Zerstörung der PLO-Basen im Südlibanon zu unterbinden. Es gelingt der Truppe unter Führung Ariel Scharons, die totalitären Kräfte durch die Einnahme Beiruts zu besiegen und und ihren Führer, Jassir Arafat, aus dem Libanon zu vertreiben. Am Ende des Films tritt eine zweite totalitäre Kraft auf den Plan, die libanesischen Milizen des Bashir Gemayel (er ist Bashir, der Namensgeber des Films), die unter den Augen des Icherzählers Ari (= Ari Folman, er ist auch der Regisseur des Films und auf der Abbildung oben rechts zu sehen © Pandora Film Verleih) die PLO-Flüchtlingslager angreifen und tausende arabischer Zivilisten ermorden, bevor die israelische Armee eingreift und dem Massaker ein Ende setzt. Waltz With Bashir verarbeitet das Trauma von Sabra und Schatila, so die Namen der beiden Flüchtlingslager am Stadtrand von Beirut.

Baader Meinhof Komplex erzählt aus der Perspektive einiger Hauptakteure der Roten Armee Fraktion (RAF) von deren Besuchen bei jenen Arabern, die sich in den 1970er Jahren rings um Israel in Trainingslagern auf die Zerstörung der israelischen Demokratie vorbereiten. Hier lernen die totalitären Kräfte der Neuen Linken, wie sie ihrerseits die deutsche Demokratie im bewaffneten Kampf wenn auch nicht beseitigen, so doch beschädigen können. Im Verlauf des Films tragen die von den Arabern zu Terroristen ausgebildeten Deutschen ihre Aktionen in die hiesigen Großstädte und ermorden zahllose ermittelnde Juristen, leitende Angestellte und etliche kleine Leute, Kollateralschäden halt. Bis alle tot sind, geht es zwischendurch ganz lustig zu, es waren halt Idealisten, die sich irgendwie verrant hatten, aber bei dem System halt irgendwie verständlich, das führt der Film zuletzt mit fiesen Richtern im Stammhein-Prozess vor Augen.

Verharmlosung des Terrors ist nicht die Absicht des deutschen Films. Im Ergebnis aber zeigt er vollkommene Blindheit gegenüber der totalitären Anmaßung der RAF, die nun gar nichts Lustiges hatte und keinerlei Beschönigung oder Beschwichtigung verdient. Dass die Jury in Hollywood dieser politischen Räuberpistole nach Art von Bonnie und Clyde die kalte Schulter gezeigt hat, finde ich außerordentlich ermutigend in einer Zeit, da Israel von den gleichen Arabern schon wieder angegriffen wird, die gestern der internationalen Solidarität verpflichtet unsere RAF aufgerüstet und Israel von Norden her attackiert hatten und heute der islamischen Internationale, der Umma, verpflichtet Israel von Süden her mit Raketendauerbeschuss zermürben und schließlich von der Landkarte tilgen wollen. Der israelische Film handelt von der Auseinandersetzung mit diesen totalitären Kräften, die zwischenzeitlich das Mäntelchen von rot auf grün gewechselt haben, und führt auf schmerzhafte Weise vor, warum die Feinde meiner Feinde (im Film also Bashirs Milizen) besser nicht meine Freunde sind (Do not Waltz with Bashir, lautet die Botschaft). Das tut weh zu sehen, ein Schmerz, der Baader völlig abgeht, und deshalb hat Bashir zu Recht gewonnen. Herzlichen Glückwunsch!
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen