Freitag, 8. November 2019

Angriff auf die freie Marktwirtschaft



Die Jahreskonferenz des Ludwig von Mises Instituts Deutschland 2019 versuchte, die stimmgewaltigen Solisten der Gegenwart besser zu verstehen: die neuen Sozialisten.

Vorbemerkung Der nun folgende Beitrag erschien am 7. November 2019 unter dieser Überschrift im Online-Magazin AnlegerPlus News #11, dem monatlichen Newsletter für Kapitalanleger, den die SdK – Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. herausgibt. Darin berichte ich von der Münchener Ludwig von Mises Konferenz, die am 19. Oktober 2019 im Hotel Bayerischer Hof stattfand. 

Andreas Marquart, Vorstand des Ludwig von Mises Instituts Deutschland und Autor des Erklärbuchs „Crashkurs Geld“, begrüßt die Gäste zur Jahreskonferenz am 19. Oktober 2019 in München.




30 Jahre nach dem Scheitern des real existierenden Sozialismus im damaligen Ostblock sehen einige Wirtschaftswissenschaftler eine neue Welle sozialistischen Denkens heraufziehen, dieses Mal allerdings in den Demokratien des Westens.

Die Jahreskonferenz des Ludwig von Mises Instituts Deutschland 2019 versuchte deshalb im Oktober in München, die tonangebenden Interventionisten der Gegenwart zu identifizieren. Unter der Überschrift „Logik versus Emotion. Warum die Welt ist, wie sie ist“ verbarg sich ein Tagungsthema, das den Nerv der Konferenzbesucher traf: woher der forcierte Angriff auf die freie Marktwirtschaft kommt, wie er funktioniert und wie sich parieren lässt.

Mit dem Namen Ludwig von Mises verbindet sich eine Denkrichtung der Wirtschaftswissenschaften, die im letzten Jahrzehnt unter dem Namen Österreichische Schule auch in ihren deutschsprachigen Herkunftsländern wieder mehr Beachtung findet. Vor allem an den Debatten um Eurorettung und Nullzinspolitik nehmen die an Mises geschulten Volkswirte seit 2012 regen Anteil und weisen auf die Schäden hin, die das staatliche Geldmonopol anrichtet. Für Kapitalanleger ist die Kenntnisnahme solcherart grundsätzlicher Kritik hilfreich, das große Bild besser zu erkennen.

Emotion versus Logik Gleich eingangs der Tagung sprach ein Psychologe und Therapeut, der heute sein Geld als bildender Künstler und Buchautor verdient: Raymond Unger. Anlass der Einladung zur Konferenz war sein Buch „Die Wiedergutmacher. Das Nachkriegstrauma und die Flüchtlingsdebatte“. Darin befasst sich Unger mit der als „Willkommenskultur“ bekannten Reaktion der Babyboomer-Generation auf die Zuwanderungswelle von 2015.

In seinem Vortrag vertrat er die These, dass die Babyboomer die heutigen Mittfünfziger seien, deren Eltern traumatisiert aus dem Zweiten Weltkrieg kamen, den sie als Kinder erlebt und erlitten hatten. Mit diesen Kriegskindern beginne eine Spirale „transgenerationaler Weitergabe“ von Schuld, die Erlösung nur finde, wenn der vermeintlich Schuldige sich zur Schuld der Vorfahren und Vorvorfahren bekenne. Und die wolle er nicht nur passiv bekennen, sondern aktiv wiedergutmachen.

Die Überführung der Automobilindustrie in Kollektiveigentum werde so am Ende ein Akt der Wiedergutmachung für „Klimasünden“. Kurz: Die psychologische Seite der neuen deutschen Rettung von allem und jedem, des Euros, der Flüchtlinge, des Klimas, sei stärker in den Blick zu nehmen; denn sie erkläre einen Hypermoralismus, der gegen jeden Einwand immun ist: Emotion versus Logik.

Logik versus Emotion Für die Umkehrung, Logik versus Emotion, das Tagungsmotto wörtlich nehmend, sprach sich Rolf W. Puster aus und gab dem Auditorium damit eine harte Nuss zu knacken. Der Professor für Philosophie ist spezialisiert auf die erkenntnistheoretische Grundierung der von Mises selbst so genannten Praxeologie, der Wissenschaft vom Denken und Handeln aller Wirtschaftssubjekte.

In seinem Vortrag machte der Referent auf den Kunstgriff aufmerksam, das Gewünschte und das Gewollte zu vermischen: Jeder wünsche sich reine Luft, aber nur wenige wollten dieses Ziel mittels CO2-Verminderung erreichen. Die Gegner dieses Wollens ließen sich moralisch leicht diskreditieren, weil sie gegen etwas von allen Gewünschtes seien – und müssten obendrein die Kosten dieses Wollens der Wenigen zahlen. Die „Klimaschützer“ schlügen zwei Fliegen mit einer Klappe.

Die fünf Referenten der Mises Konferenz 2019 stellen sich den Fragen des Auditoriums (v.l.n.r.): Rolf W. Puster, Thorsten Polleit, Raymond Unger, Philipp Bagus, Antony P. Mueller.

Anschließend erklärte Antony P. Mueller, Professor der Volkswirtschaftslehre an der brasilianischen Bundesuniversität UFS, dass sich das neue sozialistische Projekt in allen Punkten auf das Kommunistische Manifest zurückverfolgen lasse, in dem Karl Marx und Friedrich Engels bereits 1848 für die Abschaffung des Privateigentums, der Familie, der Nationalität („Arbeiter haben kein Vaterland“) und den Bruch mit allen überlieferten Ideen plädierten – um „alle Produktionsinstrumente in den Händen des Staats, d. h. des als herrschende Klasse organisierten Proletariats, zu zentralisieren“.

Philipp Bagus, Professor für Volkswirtschaft an der Universidad Rey Juan Carlos in Madrid, analysierte in seinem Vortrag das Paradox, dass sich nach jedem Scheitern eines sozialistischen Experiments stets aufs Neue eine Bewegung formiere, die zum x-ten Mal das Heil in der Verstaatlichung verkündet. „Dieses Mal wird alles anders“, so gehe die Begründung; denn die Gescheiterten hätten ja keinen echten, nicht den wahren Sozialismus verfochten. Der Sozialismus – das ewige Stehaufmännchen.

Drei-Punkte-Plan Thorsten Polleit, Chefvolkswirt der Degussa und Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, knüpfte genau hier als letzter Referent an: Für sozialistische Katastrophen gebe es kein „Nie wieder“. Niemand sollte sich deshalb in Sicherheit wiegen. Also handeln, aber wie? Sein Drei-Punkte-Vorschlag lautet: erstens Entmachten der Soziopathen; zweitens den Sozialismus als „gemeingefährliche Ideologie“ brandmarken; drittens argumentative Selbstverteidigung, die promarktwirtschaftliche Aufklärungsarbeit leistet und dabei die Kontroverse nicht scheut.

Für Kapitalanleger verheiße der neue Sozialismus nichts Gutes. Darauf aufmerksam zu machen, war ein Anliegen der Tagung, Ermutigung zum Widerspruch ein zweites. 30 Jahre nach dem Ende der DDR komme der Sozialismus diesmal auf Samtpfoten daher: demokratisch, gendergerecht, diskriminierungsfrei, klimafreundlich. Ein wenig Mises soll helfen, die Tatzen des Räubers zu erkennen.

Quelle Online-Magazin AnlegerPlus News #11 vom 7. November 2019, Seiten 18-19. Hier als PDF zum Ansehen, Blättern, Herunterladen und Speichern.

Und zu guter Letzt noch als Zugabe das Abschiedsfoto:

Nach der Konferenz ein Erinnerungsfoto (v.l.n.r.): Andreas Marquart, Rolf. W. Puster, Raymond Unger, Philipp Bagus, Antony P. Mueller, Thorsten Polleit. | Alle Fotos © Dr. Rainer Bieling












Mittwoch, 3. Juli 2019

„Von der Friedlichen Revolution zur deutschen Einheit“ – eine Ausstellung auf dem Vorplatz des Berliner Abgeordnetenhauses


Berlin, 3. Juli 2019, vormittags um 10 Uhr bei 18 °C und ziemlich frisch: Eröffnung der Ausstellung „Von der Friedlichen Revolution zur deutschen Einheit“ auf dem Vorplatz des Berliner Abgeordnetenhauses, Niederkirchnerstraße 5, direkt gegenüber vom Martin-Gropius-Bau. Getragen von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und dem Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, präsentiert vom Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses, zeigt die Ausstellung auf 20 Tafeln, was vor 30 Jahren im Osten Deutschlands geschah, als dieser noch als deutsche Demokratische Republik firmierte und der Vorplatz des heutigen Abgeordnetenhauses grenznahes Sperrgebiet war.

Ausstellung und Aufstellung im Freien. Im Hintergrund der Martin-Gropius-Bau





















In der Ankündigung der Bundesstiftung Aufarbeitung hieß es (ergänzt mit meiner Positionsbestimmung auf den Fotos): „Aus Anlass der Ausstellungseröffnung findet eine von Zsuzsa Breier (Mitte) moderierte Gesprächsrunde statt, an der der Präsident des Abgeordnetenhauses Ralf Wieland (links neben ihr), der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Rainer Eppelmann (rechts neben ihr), der Beauftragte der Bundesregierung Staatssekretär Christian Hirte (ganz links in Gestalt seiner Vertreterin) und der Autor der Ausstellung Ulrich Mählert (ganz rechts) teilnehmen werden.“ (Hinweis: auf die Fotos klicken und sie zum besseren Betrachten vergrößern.)

Ulrich Mählert erläutert die Idee. Er ist Kurator und Autor der Ausstellung.





















Die Moderatorin Zsuzsa Breier, einstmals ungarische Diplomatin, später deutsche Staatssekretärin, nunmehr freie Autorin, befragt ihre vier Gesprächspartner nach deren persönlichen Erlebnissen und ihrer politischen Beurteilung der damaligen Vorgänge und siehe da: Der Titel der Ausstellung erweist sich als Statement – die „Friedliche Revolution“ groß geschrieben und die „deutsche Einheit“ klein. Friedliche Revolution als Selbstdemokratisierung, ohne die eine deutsche Einheit am 3. Oktober 1990 gar nicht möglich gewesen wäre. Darauf macht vor allem Rainer Eppelmann aufmerksam, der 1989 einer der Aktivisten der Bürgerbewegung war.

Szusza Breier und Rainer Eppelmann. Hinter ihnen Tafel 14: Triumph.





















Diese Selbstdemokratisierung begann am Sonntag, dem 7. Mai 1989, als Bürgerrechtler allerorten die Fälschung der DDR-Kommunalwahlen aufdeckten, kam in Fahrt am Montag, dem 4. September 1989, als Bürgerinitiativen in Leipzig erstmals „Für ein offenes Land mit freien Menschen“ demonstrierten, und war nicht mehr zu bremsen, nachdem am Montag nach den Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR, dem 9. Oktober 1989, 70 000 Bürgerinnen und Bürger in Leipzig auf die Straße gingen und sich für eine Nacht Freiheiten herausnahmen, die sie künftig jeden Tag genießen wollten.

Zum Schluss spricht Gastgeber Ralf Wieland – und die Sonne lacht.

Vier Wochen später, am 9. November 1989, fiel die Mauer. Die Selbstdemokratisierung der DDR endete neun Monate später mit dem Beschluss der Volkskammer vom 23. August 1990, die DDR werde der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes zum 3. Oktober 1990 beitreten. Die Ausstellung „Von der Friedlichen Revolution zur deutschen Einheit“ zeigt die Etappen dieser Friedlichen Revolution auf 18 Tafeln, die 20. und letzte Tafel endet mit der deutschen Einheit. Die 1. Tafel ist das Titelbild der Ausstellung, die bis 7. September 2019 vor dem Berliner Abgeordnetenhaus open air zu sehen sein wird.

Tafel 1 der Ausstellung mit dem Berliner Abgeordnetenhaus im Hintergrund.




















Hinweis: Die Schau umfasst 20 Tafeln, die als Poster-Set im Format DIN A1 vorliegen. Sie präsentiert über 100 zeithistorische Fotos und Dokumente. QR-Codes verlinken zu 18 Videointerviews mit Akteurinnen und Akteuren der Friedlichen Revolution, die auf der Webseite https://zeitzeugen-portal.de zu finden sind.  Quelle: https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/von-der-friedlichen-revolution-zur-deutschen-einheit-7110.html

Im Morgenlicht ist das Blau der Ausstellung schon von weitem gut zu erkennen.


















Zu guter Letzt: Der Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer macht hier auf die gemeinsam organisierte Ausstellung aufmerksam: https://www.beauftragter-neue-laender.de/BNL/Redaktion/DE/Kurzmeldungen/Nachrichten/2019/2019-06-19-wendejahre-1989-und-1990-im-mittelpunkt-neuer-open-air-ausstellung.html


Samstag, 1. Juni 2019

Eine Kundgebung für Israel findet große Medienresonanz


Berlin, 1. Juni 2019, gegen 16 Uhr: Für einen kurzen Augenblick standen sie sich gegenüber, die überwiegend arabischen Teilnehmer der antiisraelischen Demonstration auf der einen Seite des Kurfürstendamms, Höhe Schlüterstraße, und die überwiegend deutschen Teilnehmer der Gegenkundgebung „Kein Islamismus und Antisemitismus in Berlin – Gegen den Quds-Marsch“ auf dem gegenüberliegenden George-Grosz-Platz.

Von jeweils rund 900 Teilnehmern würde später die Rede in den Abendnachrichten sein, die prominent über den Al-Quds-Marsch und die Gegendemo berichteten:

19 Uhr heute Journal: an zweiter Stelle,
19.10 Uhr arte Journal: an zweiter Stelle,
19.30 Uhr rbb-Abendschau: an erster Stelle,
20 Uhr Tagesschau: an erster Stelle.

Ich kann mich nicht erinnern, jemals in den letzten 50 Jahren mit so wenigen Demonstranten so viel Aufmerksamkeit in den Staatsmedien erreicht zu haben. Das Foto entstand kurz vor 17 Uhr auf dem George-Grosz-Platz. Zu der Zeit waren die Al-Quds-Demonstranten schon zu ihrem Kundgebungsort weiter oben am Ku’damm abgezogen.

Kundgebung auf dem George-Grosz-Platz am Kurfürstendamm in Berlin.





Donnerstag, 30. Mai 2019

Mein Blog macht wieder auf


Ausgerechnet am Vatertag. Andererseits, warum nicht. Christi Himmelfahrt, wie ihn in Berlin niemand nennt, ist ein ruhiger Feiertag. Heute hätte ich auf dem Tempelhofer Feld, so heißt der alte Flughafen jetzt wieder, am Mitmachkonzert „Ein Celloschwarm für die Feldlerche” teilnehmen und mir anschließend oder vorher einen NABU-Vortrag über die Feldlerche anhören können. Eine Veranstaltung des RSB, des
Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin, das sonst im Konzerthaus am Gendarmenmarkt gastiert.

Die Ode an die Feldlerche ist durchaus nicht symbolisch zu verstehen. Die Feldlerche lebt und brütet auf dem Feld, das einst der Flughafen Tempelhof war. Kein Flugzeug hebt mehr ab, kein Passagier und keine Fracht verlassen diesen Ort oder steuern ihn an. Die Rosinenbomber sind nur vage Erinnerung der Älteren, kaum ein Lebender noch, der sie starten und landen einst sah. So ist das Tempelhofer Feld zum Sinnbild einer strahlend grünen Zukunft geworden, die die Gegenwart abgewickelt haben wird: keine Flugzeuge mehr auf Flughäfen, keine Autos mehr auf Straßen, keine Lastwagen, keine Containerschiffe auf Meeren und Wasserstraßen – überall nur der Gesang von Feldlerchen, das emsige Summen der Bienen und das Quaken gut gelaunter Frösche. Kein Mensch mehr wird es wagen, seinen unwillkommenen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen, nirgendwo, schon gar nicht auf dem Tempelhofer Feld.

Das Fest der Luftbrücke vor knapp drei Wochen am Sonntag, dem 12. Mai 2019, war dann auch eine dieser raren Gelegenheiten, noch in der Gegenwart einen Schatten der Vergangenheit zu erhaschen und Erinnerung an eine Zeit zu tanken, in der der Fußabdruck gar nicht groß genug sein konnte, um 2,5 Millionen Bürger am Leben zu halten. Das Fest der Luftbrücke erinnerte an das Ende der Berliner Luftbrücke, als West-Berlin vom 24. Juni 1948 bis 12. Mai 1949 durch die sowjetische Blockade der Zufahrtswege zu Lande und zu Wasser abgeriegelt war und alles, aber auch alles mit Luftfracht erhalten musste. Eingeflogen von Tausenden amerikanischer und britischer Rosinenbomber. 70 Jahre ist das nun her.


Rosinenbomber beim Tag der Luftbrücke am 12. Mai 2019 auf dem früheren Vorfeld des Flughafens Tempelhof. 





Am Tag der Luftbrücke hatten sie tatsächlich einen Rosinenbomber aufgestellt und zwar so, wie er tatsächliche gestanden hätte: auf dem Vorfeld. Das gibt es noch, und hier gibt es auch keine Feldlerche. Noch nicht. Dafür gibt es ein anderes Vogeltier, aber das steht auf der gegenüberliegenden Seite des Flughafengebäudes und fliegt auch nicht weg: ein riesiger Reichsadler. Er steht auf dem Platz der Luftbrücke und bewacht einen Parkplatz, auf dem kein Auto mehr parkt. Hier war einst die Zufahrt zum Haupteingang, als das Tempelhofer Feld noch der Flughafen Tempelhof war.


Der historische Adlerkopf vor dem Haupteingang zum Flughafen Tempelhof.