Mittwoch, 25. August 2010

Propaganda und Terror


Topograhie des Terrors
Blick auf den Ausstellungsgraben
 
Auf dem Freigelände der Topographie des Terrors ist seit heute eine neue Dauerausstellung für die Öffentlichkeit zugänglich. Sie trägt den Titel "Berlin 1933-1945. Zwischen Propaganda und Terror" und ist im sogenannten Ausstellungsgraben zu sehen, der sich rechts auf dem frühabendlichen Foto (das sich durch Anklicken vergrößern und auf Flickr kommentieren lässt)  über die gesamte Länge entlang des Mauerrestes an der Niederkirchnerstraße erstreckt. (Hier noch eine Aufnahme von der gestrigen Eröffnung.) Von oben schützt ein Glasdach die früheren Kellerräume, an deren Wänden die Schautafeln über das nationalsozialistische Berlin angebracht sind. Es handelt sich um ganz normale Keller, nicht um Folterkeller. Die Fahnder und Vernehmer der Gestapo folterten in ihren Büros in den oberen Stockwerken.

Zwischen Propaganda und Terror ist eine gute Titelwahl (Konzeption der Ausstellung: Dr. Claudia Steur und Mirjam Kutzner), weil sie unterstreicht, dass das totalitäre Regime eben kein Schreckensregiment im Sinne einer Tyrannei ist, die alle und jeden unterdrückt. Ganz im Gegenteil lebt das Totalitäre gerade von der Zustimmung jener Massen, in deren Namen es wirkt. Das Mittel, sich breite Zustimmung zu sichern, ist Propaganda. Sie bestärkt den Sympathisanten, schmeichelt dem Mitläufer und umwirbt den Skeptiker. Und sie lässt in Ruhe, wer das Maul hält. Wer es aber aufmacht, den wird das Totalitäre mit Gewalt unterwerfen und mitleidlos enteignen: seiner Rechte, seiner Freiheit, seines Lebens. Das ist der Terror, und weil er hier an der Wilhelmstraße, in der Mitte Berlins, ausgebrütet und umgesetzt wurde, trägt der Ort seinen Namen: Topographie des Terrors.
 

Samstag, 14. August 2010

13. August und die Geschichten jener Nacht


KulturRaum Zwingli-Kirche heißt das Projekt einer Gruppe engagierter Berliner Bürger (und Bürgerinnen, ist doch klar) zur intelligenten, quartiernahen Nutzung der leerstehenden evangelischen Zwinglikirche am Rudolfplatz in der Friedrichshainer Oberbaum-City. KulturRaum Zwingli-Kirche meint im Wortsinn: das Kirchengebäude als Raum für Kultur nutzen. Kultur wiederum meint vor allem Ausstellungen, Lesungen, Filmvorführungen.

Sommer im Quartier heißt kurz und bündig das aktuelle Kulturraumprogamm. Rechts im Bild das dazugehörige Plakat, das es in einer anderen Version als Faltblatt zum Aufklappen gibt, sehr praktisch gedacht und gemacht; denn auf der Rückseite steht das vollständige Programm, das es natürlich auch hier im Internet gibt, wo es sich auch als PDF herunterladen lässt.

Geschichten jener Nacht hieß der DEFA-Spielfilm, der gestern, am 13. August 2010, im KulturRaum zu sehen war. Jene Nacht war die vom 12. auf den 13. August 1961. Der Episodenfilm von 1967 erzählt erzählt vier Geschichten jener Nacht (jeder Link ist wie üblich klickbar und führt zu weiteren Informationen) und jede der vier Geschichten wird von einem anderen Autor und Regisseur mit anderen Schauspielern ins Bild gesetzt:

Episode 1: Phoenix von Karlheinz Carpentier (Buch und Regie)
Episode 2: Die Prüfung von Ulrich Thein (Buch mit Erik Neutsch [Spur der Steine] und Regie)
Episode 3: Materna von Frank Vogel (Buch mit Werner Bräunig [Rummelplatz] und Regie)
Episode 4: Der große und der kleine Willi von Gerhard Klein (Regie, Buch Helmut Baierl)

Es ist die erste Garde der Kulturschaffenden, die schreibt, dreht und spielt. Warum sie das fünf Jahre nach dem Mauerbau tut (die DEFA-Geschichten jener Nacht kamen im Jahr darauf am 8. Juni 1967 in die DDR-Kinos), ist mir ein Rätsel; denn es hatte gleich 1962 zwei fabelhafte Propagandafilme für den realen Sozialismus gegeben, über die ich mich anlässlich ihrer Wiederaufführung vor einem Jahr ausgelassen habe (siehe meinen Eintrag vom 29. August 2009: "Der Kinnhaken oder Wie Manfred Krug 1962 den Mauerbau mit viel Selbstironie rechtfertigt").

Es sind Propagandafilme vom feinsten, die die DEFA seinerzeit produziert hat: sehr intelligent, sehr smart, sehr schmissig, und dazu war sie in der Lage, weil ein Teil der deutschen Kultur- und Unterhaltungselite in den realen Sozialismus Walter Ulbrichts vernarrt war und sich der der Sozialistischen Einheitspartei hingab, einer totalitären Formation, die nach etlichen Umfirmierungen heute als Die Linke in einer virtuellen DDR das Sagen hat, die keineswegs vor dem Westen Deutschlands halt macht und nach wie vor etliche antikapitalistische Kulturschaffende in ihren Reihen weiß, die sich ohne zu zögern für präsidiabel halten. Die Geschichten jener Nacht erinnern daran, dass der Geist, der solches speist unter uns weilt wie das Gespenst, als es in Europa umging. Aus den Mauerbauapologeten von einst sind die Mauerversteher von heute geworden, aus dem Kleinen Willi der große Tatort-Komissar.

Dem KulturRaum-Team Dank für einen anregenden Abend und gute Wünsche für den weiteren Sommer im Quartier. Ach, mein Hinweis auf diese Veranstaltungsreihe auf Facebook (Link geht nur für Facebook-Mitglieder) hat gleich zu einer kleinen Debatte über das neuberlinerische Quartier geführt. Stimmt, wir Altberliner nennen es Kiez. (Dass dieser Begriff auch so seine Geschichte hat, lässt sich bei Wikipedia gut nachlesen.)

 

Freitag, 13. August 2010

Topographie des Terrors (3) oder Das ganze Bild



Seit dem 3. Juni
habe ich kein Baufahrzeug mehr auf dem Freigelände der Topographie des Terrors  gesehen, das möchte ich mit einiger Verspätung nachtragen und durch eine Fotoserie belegen, die den gesamten Fertigstellungsprozess dokumentiert: Hier geht es zum entsprechenden Picasa Webalbum, das ich heute endlich angelegt habe. Bei der Gelegenheit sei auch versichert, dass die Bauarbeiter bei ihrem Abzug alle Hinterlassenschaften, die sie zuvor sorgfältig im Robinienwäldchen versteckt hatten (siehe Eintrag vom 11. Mai), mitgenommen haben.

Die Topographie des Terrors ist aber nicht nur ein dankbarer Gegenstand für den Amateurfotografen (das Foto zeigt das fertige Gelände am 3. Juni 2010 beim Abzug des letzten Baufahrzeugs), sie ist in erster Linie ein wichtiger Ort in Berlin und für Deutschland. Er dokumentiert beides: Die Hinterlassenschaften des Gewaltapparates der totalen Herrschaft, mit dem die nationalsozialistische Reichsregierung einen großen Teil Europas unterworfen hatte. Und die Bereitschaft des freien und demokratischen Deutschlands von 2010, sich der intellektuellen Herausforderung zu stellen, die die Hinterlassenschaft des Totalitären uns Heutigen abfordert.

Die Relikte von gestern und die Reaktionen von heute machen die Topographie des Terrors zu einem Lernort, dessen Potential sich schon abzeichnet: Neben der ständigen Ausstellung im neuen Dokumentationszentrum und der ersten Sonderausstellung über das Getto von Lodz (Lodsch, bei den Nazis: Litzmannstadt), gab es vor der Sommerpause etliche Vorträge und Vorführungen nationalsozialistischer Propagandafilme, die den Geist und die Sprache der totalitären Ideologie im Original offenbarten. Besser lässt sich intellektuelle Immunisierung gar nicht erreichen.
 

Dienstag, 10. August 2010

Berlins Fernsehturm im Morgenlicht


O je, drei Monate Pause. Das hat es im Leben der Berliner Freiheiten noch nie gegeben. Ursache war die Rückkehr in die Stadt, mitten ins Zentrum. Ein Umzug, der mit allerhand Widrigkeiten einherging, die hier nichts zur Sache tun. Dass es ausgerechnet eine Katze war, deren Miauen mich jäh aus dem Schlaf riss, ist eine der Paradoxien des Stadtlebens. Um 5:57 Uhr war die Nacht vorbei, und beim Blick aus dem Schlafzimmer sah ich zwar die Katze nicht, dafür aber den markanten Berliner Fernsehtum im Morgenlicht. Hier rechts im Bild festgehalten, was sollte ich sonst Sinnvolles tun.

Der Berliner Fernsehturm ist nicht nur Deutschlands höchstes Bauwerk, sondern auch eines der wenigen Gebäude aus DDR-Zeiten, das die Berliner, alte wie neue, ohne Wenn und Aber als ihr Eigentum angenommen haben. Die Identifikation ist so groß, dass auch gebürtige West-Berliner ihn lieben, obwohl sie noch gut in Erinnerung haben, dass es Walter Ulbricht war, der den Turm zum 20. Jahrestag der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik am 7. Oktober 1969 eröffnete. Die Gründung der DDR wiederum fand gewissermaßen vor meiner Haustür statt, da muss ich nur zur anderen Seite aus dem Wohnzimmer gucken, um den Ort zu sehen. Aber davon ein andermal. Wenn die Katze wieder mauzt.