Donnerstag, 22. Oktober 2009

Broders Kritik am Zentralrat: Die Grundhaltung stimmt

 
Ob Henryk M. Broders Beschreibung der Befähigung des Führungspersonals des Zentralrats der Juden zutrifft, vermag ich nicht zu beurteilen. Dass der im Text erwähnte Generalsekretär keine Ahnung hat, wovon er redet, ist mir auch schon aufgefallen (siehe meinen Blogeintrag vom 10. Oktober 2009 unter http://docbieling.blogspot.com). Was Broders Bewerbungsschreiben für das Amt des Präsidenten des Zentralrats so lesenswert macht, ist die libertäre Grundhaltung, mit der er alle totalitären Anmaßungen gleichermaßen zurückweist. Diese Haltung ist selten geworden in Deutschland, und deshalb ist es gut, dass er sich für ein Amt bewirbt, das eben nicht ohne Ansehen der Person zu beurteilen ist.
Der Eintrag bezieht sich auf diesen Artikel: Henryk M. Broder: Meine Kippa liegt im Ring (view on Google Sidewiki)

Nachsatz: Henryk M. Broder hat seine Kandidatur inzwischen zurückgezogen, wie Spiegel online mitteilt.
 

Samstag, 10. Oktober 2009

Kopftuchmädchen


Lettre International ist über jeden Verdacht erhaben, eine Zeitschrift zu sein, die Gedankengut verbreitet, das "Göring, Goebbels und Hitler große Ehre erweist". In "geistiger Reihe mit den Herren" zu stehen, macht ein deutscher Verbandssprecher nun einem Gesprächspartner des Lettre-Chefs Frank Berberich zum Vorwurf. Berberich, der zum Gründerkreis der taz gehört, hat in der Ausgabe 86 Berlin auf die Couch gelegt (rechts die Abbildung des aktuellen Titelbilds, das Heft gibt es überall hier) und sich mit Thilo Sarrazin über die Hauptstadt unterhalten. Eine gute Idee; denn der fühere Finanzsenator weiß, wie es um Berlin steht. Wer Augen hat zu sehen und ein Hirn, das Gesehene gedanklich zu bewältigen, wird zu keinem nennenswert anderen Befund kommen. Vor 25 Jahren habe ich vergleichbare Interviews in Zitty veröffentlicht. Ich erinnere mich an eines mit Heinrich Lummer, einem CDU-Rechtsaußen und bis 1986 Innensenator. Thilo Sarrazin ist SPD-Mitglied. Ich hätte ich so ein Gespräch, wie es Frank Berberich mit ihm geführt hat, ebenfalls ohne mit der Wimper zu zucken veröffentlicht. Zum Hitler-Sarrazin-Vergleich hat Henryk M. Broder im immer lesenswerten Blog Die Achse des Guten (und deshalb links in der Randspalte einer meiner ständigen Blogtipps) das Nötige schon gesagt.

Wer Anschauungsunterricht nehmen möchte, wie es sich mit jenem Teil der Berliner Bevölkerung verhält, der "für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert", der mag sich um zehn vor acht vor eine Grundschule am, sagen wir, Kottbusser Tor stellen und Augen und Ohren offen halten, mehr ist gar nicht nötig. Wer Anschauungsunterricht nehmen möchte, worin der Unterschied zwischen Nationalsozialisten wie Göring, Goebbels und Hitler auf der einen und einem Sozialdemokraten wie Thilo Sarrazin auf der anderen Seite besteht, der lese den ganzen Text, und den gibt es hier und an zahlreichen Verkaufsstellen. Ich empfehle für 17 Euro den Erwerb der kompletten Zeitschrift, weil Lettre International Nummer 86 ein Füllhorn ist, voll von Blumen (Bildern) und Früchten (Texten) aus und über Berlin. Im übrigen handelt es sich bei besagten Kopftuchmädchen um kein ethnisches Phänomen, sondern um ein ideologisches. Dazu bietet die Rubrik Meine Buchtipps in der linken Randspalte weiter unten vielfälige Anregungen zum Weiterlesen.
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Postscriptum
Der haarsträubende Vergleich des Sozialdemokraten Sarrazin mit den Nationalsozialisten Göring, Goebbels und Hitler hat Henryk M. Broder offenbar dermaßen auf die Palme gebracht, dass er gestern, am 21. Oktober 2009, seine Kandidatur für das Amt des Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland öffentlich im Berliner Tagesspiegel bekannt gegeben hat - ein wegen der darin zum Ausdruck gebrachten libertären Grundhaltung lesenswertes Bewerbungsschreiben. Ha, Google hat seit heute ein neues Instrumnt namens Sidewiki. Damit lassen sich Websites oder einzelne Beiträge darauf oder Teile derselben kommentieren. Die Bemerkungen sind für alle, die ebenfalls Sidewiki in ihrer Browser-Toolbar installiert haben, öffentlich zu sehen. Sie lassen sich auch gleich weiterleiten, mit Email oder an ein Blog. Das habe ich soeben ausprobiert und siehe da - oben, in meinem nächsten Blogeintrag vom 22. Oktober, ist der Kommentar zum Broder-Artikel im Tagesspiegel nachzulesen.

Postscriptum 2 Die Frankfurter Allgmeine Sonntagszeitung hat bereits am 18. Oktober 2009 in einem blendend recherchierten und glänzend geschriebenen Beitrag von Volker Zastrow die Hintergründe der Bundesbank ausgeleuchtet, die offenbar gezielt und absichtsvoll eine Sarrazin-Falle aufgestellt und hat zuschnappen lassen, um ihr Vorstandsmitglied "über die Bande gespielt" abschießen zu können. Die "Bande" ist hier das künstliche Erregen eines öffentlichen Ärgernisses - lesenswerte Story!

Die Geschichte nimmt heute, am 27. November, die nächste Wendung. Nun verklagt Lettre die Bild-Zeitung wegen Content-Klaus (also Inhalte-Diebstahls), wie die Mediendienste kress und Meedia berichten. Dagegen wehrt sich der Bild-Chefredakteur in seinem Blog - alles höchst amüsant für uns Zuschauer.

Dienstag, 6. Oktober 2009

Schöne alte Welt


Die Linke ist Vorhut einer virtuellen DDR und deshalb geht sie mir ja schon lange auf den Keks, wie hier auf dieser Seite verstreut, aber regelmäßig nachzulesen ist. (Links in der Randspalte gibt es weiter unten die Rubrik Labels, die das Auffinden von Inhalten durch Anklicken von Namen und Themen ungemein erleichtert). Nun hat DIE WELT meinen Essay über Die Linke und ihre virtuelle DDR unter dem Titel Schöne alte Welt veröffentlicht und zwar passgenau am 2. Oktober 2009, dem Vorabend des 19. Jahrestags der Deutschen Einheit. Der Aufsatz ist nach guter neuer WELT-Sitte gleichzeitig online erschienen (Abbildung rechts, lässt sich durch Klicken vergrößern) und hier nachzulesen.

Heute ist in der WELT ONLINE ein Leserbrief von Friedbert Groß zu dem Essay erschienen, den ich gern zitiere, weil er eine treffende Schlussfolgerung aus meinem Text zieht, nämlich den Menschen nicht länger "einzureden, dass mit dem Verschwinden der kommunistischen Diktatur die Ostdeutschen ihrer Lebensleistung beraubt würden". Den Satz lege ich besonders Herrn Thierse ans Herz, der sich neulich bei Anne Will (siehe unten Eintrag vom 23. Mai) wie ein Aal wandt, der das Wort Unrechtsstaat nicht ausspucken wollte.

Mit Interesse und großer Zustimmung habe ich den Essay von Rainer Bieling über die geistige, mentale Situation nach der so genannten friedlichen Revolution und die Rolle, die die alten DDR-Eliten dabei spielen, gelesen. Für bemerkenswert halte ich, dass eine westdeutsche Persönlichkeit, die 1990 eine leitende Position in einer ostdeutschen Zeitschrift übernahm, kritisch auf ihre Tätigkeit zurückblickt, ja dabei nachwirkende Versäumnisse einräumt. Deswegen zolle ich dem Verfasser Respekt.

Auch wenn die beschriebene Entwicklung mehr oder weniger für alle gesellschaftlichen Felder gilt, wiegen die Defizite im Bereich der Medien besonders schwer, weil, statt Zuversicht und Aufbruchsstimmung zu befördern, oft die alten Ressentiments der Klassenkampfideologie geschürt wurden. Am Beispiel einer Zeitschriftenredaktion macht Rainer Bieling deutlich, wie auch in anderen Medien – ich denke hier vor allem an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – unter den (wegschauenden) Augen der aus dem Westen kommenden Führungskräfte die SED–PDS ihre Strategie realisierte, nämlich den Menschen einzureden, dass mit dem Verschwinden der kommunistischen Diktatur die Ostdeutschen ihrer Lebensleistung beraubt würden. Gewiss, das Versäumte lässt sich nicht einholen. Aber auch dieses Kapitel der jüngsten deutschen Geschichte bedarf dringend der Aufarbeitung.